Archiv der Kategorie: Nachbarschaft

Aufgebrezelt (Nachbarschaft 19)

09.02. 2014

Aha! Neuromarketing! Neben der Ladentür unserer Bäckerei ums Eck ist neuerdings (gut getarnt) ein kleines Loch aus dem es so riecht, wie es eigentlich neben Ladentüren unserer Bäckereien ums Eck riechen sollte. Schnitt. Die Aufbackfachkraft drinnen in der bösen Stube ist eine von herzlosen Arschgeigen gecastete, mies bezahlte Teilzeitsklavin, die nicht nur in stressigem Akkord die von verschiedenen Triebmitteln hochgejazzten Brötchendummies aufbacken, sondern auch noch im angeschlossenen Café freundlich lächelnd schwierige Kundschaft („Ich hab gesagt mit Sojamilch!“) bedienen und hinten im Kabuff mayonnaisenlastige Fettbemmen Togo beschmieren muss. Auf der Verpackung dann die Botschaft des Fabrikbesitzers: „Hier kommt garantiert nur Gutes in die Tüte“.

Vertreibung (Nachbarschaft 18)

02.02. 2014

„Lifestyle Of Health And Sustainability“? „Lebe Ohne Hast, Agiere Salbungsvoll“? „Leute Ordern Hoffnungslos Alten Schrott“? „Leider Ohne Hirn Aufgewachsen, Sapperlot“? Fuck you, LOHAS.

Bionade-Biedermeier-Bezirk Ottensen (unser Zuhause) muss man sich mittlerweile aber auch leisten können: Wohnen im Altbau nur noch für vermögende Weltenretter, Parkplätze nur noch für Hybrid-Volvo dunkelgrün, ein Platz im Café nur noch für stillende Öko-Väter in Strickpullovern, ein Lächeln an der Supermarktkasse nur noch für zweihundert Euro Nachhaltigkeit im Jutebeutel.

1000 Euro, (lau)warm (Nachbarschaft 17)

28.01. 2014

Wohnungsbesichtigung. Die wie üblich rotzfrech überteuerte, abgefuckte Ranzbude im mageren Speckgürtel kann aber nicht betreten werden, der Makler (2 Monatsmieten) hat den Termin verdrängt. Der Eindruck von außen reicht sowieso:
Der halb versteinerte, verrottete Balkon bietet einen unverbauten Blick auf eine chemische Autowaschanlage und auf den Sperrmüll der am Messie-Syndrom erkrankten Nachbarschaft.
Von der Fassade bröckelt der graue Putz, die Fenster sind blind, der Rasen ist von Hundemeuten zugeschissen und neben den Türklingeln klebt eine Warnung: „Betteln, hausieren, klingeln und lachen verboten“.

Paten in Detmold (Nachbarschaft 16)

07.01. 2014

21.03 Uhr.

Rossini

Abendessen bei Gioachino muss ausfallen: Kein Basilikum (geplünderte Kästen vorm Fenster), keine frischen Ideen (Auszug aus der Speisekarte fehlt), die Stühle sind kopfüber auf den Tischen (festgenagelt), die Familie aus Corleone ist zu Besuch (Windelbomber im Hintergrund) und der Kellner (rechts am Bildrand: „One Punch“ Mickey O’Neil) kauft heute für seine Mutter einen Wohnwagen.

Luftgetrocknete Hausschuhe (Nachbarschaft 15)

23.11. 2013

Neu im Reichenquartier Ottensen: „Alpe Altona“ (Kulinarischer Firlefanz aus den Bergen) und ein Laden, der Luxus-Hausschlappen verkauft („Puschen für Paschas“ oder so ähnlich). Weichen musste das kleine portugiesische Kaffee und ein Friseur. Wer nur banalen Kaffee, Hörnchen und Dauerwellen im Angebot hat, kann sich diese Mieten einfach nicht mehr leisten.

Needful Things (Nachbarschaft 14)

19.09. 2013

Chichi

Auf der Suche nach einer simplen, gagfreien, unoriginellen Geburtstagspostkarte erfolglos die Ottenser Hauptstraße abgeklappert, dafür aber wieder mindestens sieben neue Geschäfte mit Deko-Vintage-Chichi für Verwöhnte und Verwirrte entdeckt. Während draußen die böse Globalisierung steppt, macht sich in den luxussanierten 6-Zimmer-Altbauwohnungen des Viertels neuer Biedermeier breit und Supermom bereitet (zwischen Halbtagsjob im eigenen Marmeladenladenlädchen, Biomarkteinkäufen und Helikopterflügen vom Klavierunterricht zur Finnisch-Nachhilfe) ihrem burnoutbedrohten Geldhamstermann und den ritalinabhängigen Königskindern daheim ein behagliches Stübchen.

Vogelwohnung (Nachbarschaft 13)

14.08. 2013

Ikea

Zuhause werden Wände aufgerissen, Steigleitungen verlegt und grobschlächtige Handwerker schlagspachteln, fugbohren, stemmschleifen oder was auch immer Metzger tun und der Schlachter grobes Handwerk ist. Wir sommerfrischen derweil in einer Ausweichwohntoilette mit Kochnische, die von Schwester Ratched aus einem Katalog für offene Wohngruppen in Irrenanstalten eingerichtet wurde. Alles ist von abwischbar hässlicher Funktionalität, in der Luft liegen Rauch, Streit und Depression der Vormieter und kaum ist nachts das Licht aus, werde ich von Schwärmen heißhungriger Mücken bewusstlos gestochen. Tagsüber verstecken sich die Biester unter der aufgeplatzten Beschichtung der Schrottmöbel und ich mich im Café. Neben mir sitzt ein Pullunder, der Tabletten einnimmt und sich am Telefon mit „Hallihallo“ meldet. Sein Hund heißt Schnakenbär. Vielleicht habe ich mich aber nur verhört oder Halluzinationen setzen ein. Eins ist sicher: Das ist der Vormieter. Garantiert.

Café Lillipippi (Nachbarschaft 12)

07.08. 2013

Henrik Lewis-Cord und Anneklara-Lea-Marie studieren jetzt im Ausland, Philipp controlled Montag bis Freitag bei Airbus, die Eltern chillen in einer Seniorenresidenz auf Phuket und Herr Tappert, der Familienhund, hat sich an einem Maispoulardenknochen verschluckt und musste letzte Woche eingeschläfert werden.
Nun kommt Heike: Frei von Existenzdruck und Verpflichtungen pfeift die Befreite jetzt auf ihr sinnloses Jura-Studium und eröffnet in der jüngst geräumten Schleckerfiliale endlich ihr eigenes Bio-Café.
Heike, die immer schon kreativ war, setzt neben dem üblichen Koffeein-Alkohol-Fett-Farbstoff-Zucker und tierfreien Angebot ganz bewusst auf Öko-Organic-Faretrade-Wellness-Hamburg.
Heikes selbst eingekochte Marmeladen, deren aluminiumfreie Deckel selbsgefilzte Tüchlein umspannen, sowie die von ihrer Freundin Manu selbstgeschriebenen Kinderbücher, deren chlorfrei gebleichte Deckel selbstgefiltzte Tüchlein umspannen, sind der Renner im selbstgebauten Regal neben der Registrierkasse, deren Deckel ein selbstgefilztes Tüchlein umspannt.
Zwischen Wickeltisch und Milch-Schoppen-Warmhaltestation habe ich einen Platz gefunden, blättere in meiner Men´s Health, rauche Reval ohne und bestelle Filterkaffee und einen doppelten Cognac.

Nucki Nuß (Nachbarschaft 11)

03.08. 2013

15.05 Uhr, Freibad Blankenese: Eintritt € 3,00 und Pommes Frites für Einssiebzig. Ist das noch Hamburg? Preise und Ausstattung wie in den 70ern, sagenhaft. Mitbadende lassen sich in jedem Freibad grundsätzlich in fünf Kategorien einteilen:

1.) Tätowierte Südländer, durchtrainiert, Raspelrübe, Haschisch, Arschbombe vom Dreier.
2.) Tätowierte Deutsche, Plauze, ausgeblichen, Klappstuhl, Dreiviertelhose, Kerze vom Einser.
3.) Tätowierte Rentner, Lederhaut, Badekappe, Bild, Kaffee, Köpper von Startblock.
4.) Tätowierte Familien im Schatten, LSF 50, Tupper, Wespenstiche, Hopser vom Beckenrand.
5.) Tattoofreie Sonderlinge, T-Shirt, Sandalen, klassische Badehose, Einstieg über die Badeleiter.

Little Shop of Horrors (Nachbarschaft 10)

02.07. 2013

Prinzessin

Ein Spaziergang durch das Quartier zeigt: Die Weichen werden richtig gestellt!

Schuhe für Königskinder (Angestellte verbeugen sich), Kunst-Kita Caspar & David (kreativ von Anfang an), Mädchenkleidung Chanelinchen (petite robe noir ab Größe 104), Jungen-Country Club Elbsöhne (Polo, Golf, Segeln), Kinderklavierschule Sergei und die flinken Pfoten (Unterricht auf Russisch), Kinderyogastudio Guru Pauli (Ritalin war gestern).