Archiv des Autors: Andreas Kloos

Ottensen-Supermom (Nachbarschaft 4)

16.04. 2013

Oh Ottensen-Supermom; sei frei! Schliess dein Hollandrad auf, kupple den Kinderanhänger ab und lass deine früh ergrauten Haare von Helm und Wind verwuscheln. Spür ihn auch auf deiner kosmetikfreien Haut und durch die atmungsaktive Outdoorjacke, er weht dich geradewegs zum Biomarkt, in welchem du noch schnell deine verschrumpelten Äpfel kaufst. Er flüstert dir ins Ohr und du weißt, daß du heute und hier ganz bewusst nachhaltig wieder einmal alles richtig gemacht hast. Wer zu spät kommt, kriegt eben keine Yoga-Matte mehr und bleibt Zyniker.

Maid of Orleans

11.04. 2013

Das Radio spielt  „Maid of Orleans“ (Orchestral Manoeuvres in the Dark). Herrlich hochfloriger Synthesizerteppich. Ewig nicht gehört. Damals mit dem Kassettenrecorder aufgenommen, auf Phantasie-Englisch mitgesungen, lange Nummer Eins auf der Playlist diverser Mixtapes für diverse Angebetete. Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis ich eben beim zuhören erstmals das Herz aus- und das Gehirn einschalte und realisiere, dass sich der Text um Jeanne d´Arc dreht. Der Titel hat zwar schon immer den entscheidenden Hinweis gegeben, aber… egal. Wahrscheinlich haben die Empfängerinnen meiner Herzschmerzkassetten alle Texte transkribiert und nächtelang gegrübelt.

Rock n´ Roll

09.04. 2013

Vormittags Arbeitstreffen mit meinen Guitarreros Lars und Johann. Ein Hering-Gabelfrühstück nach Aftershowparty-Absturz mit anschließender Hotelzimmerzerstörung braucht nur Keith Richards. Die Jungs erfüllen hier keine Klischees, sitzen frischgeduscht mit wachem Kopf am Tisch und bleiben bei Croissants, Rührei und Filterkaffee. Das Astra und die Fische verharren im Kühlschrank. Der Regisseur trägt schließlich auch keinen schwarzen Kimono oder hat Puderzucker auf der Nasenspitze.

Kaffee, Bier und Walfische (Nachbarschaft 3)

08.04. 2013

Ein Kaffee plus Zeitung im „Aurel“. Unsere Wege trennen sich kurzzeitig, M. mag da nicht hin; tagsüber riecht es dort dezent nach einer Mischung aus kaltem Rauch, verdunstetem Alkohol und Urinal-Duftstein. Klingt ungut, ist aber Teil einer von mir geliebten Café/Barkultur. In den hier verbrachten Morgenstunden schwingt immer noch das Gelage der vergangenen Nacht mit. Es gibt eine überregionale Zeitung, die verchromte halbautomatische Italienerin kocht hervorragenden Kaffee und der Barmann sieht nicht nur aus wie ein solcher, sondern ist es auch. Unaufgeregt schraubt er an der Italienerin, serviert vor Zwölf auch schon mal die ersten Biere und teilt meinen Musikgeschmack. Familien und deren befreundete Familien finden weder große Tische noch Frühstückskarten zum ankreuzen und meiden den Laden. Der Besitzer hat Humor und spielt auf den Toiletten Walgesänge ab. Wunderbar.

Date up, Start up, Fuck up.

04.04. 2013

“Ich schmeiß die Scheiße aus dem Fenster!” (Felicia Zeller: “Wenn ich was anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken”). Vier Apps wollen heute aktualisiert werden oder verweigern künftig weitere Dienstleistungen. Update or fuck up. Das iPhone, der Rechner, die Programme, das Telefon, der Router, der Drucker und, nachdem die Röhre kürzlich den Betrieb eingestellt hat, auch der Fernseher: Bis die verfluchten Geräte dank geplanter Obsoleszenz nach Ablauf der Garantie ihr Leben wieder aushauchen, verlangen sie Hinwendung und rauben Lebenszeit, Nerven und den dringend benötigten Schlaf.
Startup-Idee gefällig? iDateUp4u!

Zahnlos

03.04. 2013

Neuer Versuch mit vierzehn Stunden bedingungsloser Freundlichkeit (zu allen), um dem immer wieder aufflammenden Zynismus entgegenzutreten und dem Großstadtmisanthropen ein Frühlingsschnippchen zu schlagen. 19.00 Uhr der Tageserfolg: Buchlektüre in der U-Bahn, hinter mir anhaltend infantiles Gegiggel. Ich drehe mich lächelnd um. Ein zahnloser Einjähriger zeigt die Kauleiste und grinst zurück – ich muss wirklich lachen und lande gut gelaunt Zuhause.

Pixar

02.04. 2013

Besuch im Museum für Kunst und Gewerbe am Ostermontag: PIXAR. 25 YEARS OF ANIMATION. Interessante Ausstellung über die große Bedeutung der angewandten Künste für den Animationsfilm. Die Ausstellung zeigt Skizzen, Grafiken, Farbzeichnungen und Skulpturen aus den Filmwerkstätten der Pixar-Studios in Emeryville. Beeindruckend auch die unglaublich aufwendigen Charakter und Bewegungsstudien als Teil des Entstehungsprozesses. Das habe ich unterschätzt: Von wegen alles einfach an Computern zusammengefrickelt.

Inszenierte Produkte

30.03. 2013

Wochenendeinkauf. Die Regale im Supermarkt sind voll von Wellness- und Wohlfühlschwachsinn. Teebeutel „Freier Kopf“, Badesalz „Hol dir Kraft“, Duschgel „Aromatherapie“. Multisensorisch getunt verspricht das Spülmittel mehr zu besitzen als nur den reinen Gebrauchswert. Es pflegt bei Gebrauch zusätzlich die Hände, entspannt den Geist, heilt die Seele und öffnet das Herz. Einfache Lösungen für ein Gesellschaftsphänomen: Arbeiten bis zum Umfallen – Kein Problem dank abendlicher Blitzerholung durch Wurstaufstrich „Kleine Auszeit“.

Elf Finger

28.03. 2013

„Schlafsaal der Liebeskranken“, Shakespeare Sonett 43. Woher weiß ich, dass ich träume? Ganz einfach: Im Traum habe ich 11 Finger.

Last night I dreamt
That somebody loved me
No hope, no harm
Just another false alarm

(The Smiths)