Archiv der Kategorie: Nachbarschaft

Architektur (Nachbarschaft 30)

11.01. 2015

Abriss

Kleines Haus in Hamburgs Westen, rechts im Bild, Du darfst nicht länger sein. Deine Vorbesitzer sind im Heim und löffeln Grießbrei, Du schmeckst jetzt die Abrissbirne. Nimmst zu viel Raum ein mit Deinem piefigen Garten und dem altmodisch verschaukelten Apfelbaum. Du bist noch topfit und ersehnst den Umzugswagen voller Möbel? Umsonst gefreut. Dir fehlt Prunk, Goldstuck und der Platz für die 68m2-Küche. Wo ist Dein Glasdach? In Deine Garage passt kein Geländewagen, nicht mal Muttis Mini. Auf Deiner nichtvorhandenen Marmorterrasse werden niemals Doraden geröstet. Also gib auf, lass los, mach Platz.

Das Arschloch (Nachbarschaft 28)

24.08. 2015

Besichtigung des Flüchtlingsheims ums Eck, bevor der Winter kommt ziehen hier zweihundert Menschen ein. Das Notwendigste ist da, mehr aber auch nicht. Die kleinen Wohneinheiten sind von kalter, abwischbarer Funktionalität. Plötzlich steht einer der Othmarscher Villenbesitzer (Reichenbräune, Poloshirt, Segelschuhe, Rolex) aus der Nachbarschaft neben mir, fragt: „Haben sie Zuhause eine Putzfrau?“ Verwirrt verneine ich. Darauf der Villenmann, grimmig: „DIE schon!“

Holmbrook

Wurstnirvana (Nachbarschaft 27)

17.12. 2014

Mein neuer Freund R. ist Metzger/Schlachter/Fleischhauer und betreibt direkt vor unserer Haustür sein herzhaftes Handwerk: Eine herrliche Metzgerei. Endlich! Die Norddeutschen kaufen Wurst & Co. normalerweise im Supermarkt an der elenden Fleischtheke und zwangen mich, unbemetzgert, all die Jahre auch dazu. Einmal die Woche macht R. wunderbaren kalten Braten mit Glibber, das Fleisch kommt von ausgesuchten Höfen vor den Toren der Stadt. M. hat neulich in sein offenes Garagentor gelugt; dort hing sogar eine (von Kegelbrüdern erschossene? Überfahrene?) Wildsau im Rock am Haken. Gibt’s vielleicht als Weihnachtsnaschi. Ab 12.00 Uhr bietet R. einen deftigen Mittagstisch. Dort werde ich mittlerweile, wohlig zwischen Blaumännern brummend, oft und gerne über Bauarbeiterportionen gebeugt gesehen.

Tag 1 (Nachbarschaft 26)

19.09. 2014

09:45 Uhr: Das neue Stammcafé öffnet erst in einer Viertelstunde. Warte bloggend auf einem Stühlchen davor.

09:48 Uhr: Die Blumenfrau vom Geschäft nebenan kommt raus und fragt, wie ich meinen Kaffee trinke.

09:50 Uhr: Die Blumenfrau heißt Heike, stellt mir lächelnd einen Kaffee vor die Nase und begrüßt mich herzlich in der Nachbarschaft. Auf dem Kaffeepott steht mein Name.

09:53 Uhr: Was kommt als nächstes?

09:55 Uhr: Olaf Scholz fährt vor und überreicht mir Brot, Salz und einen prall gefüllten Präsentkorb. Bob Dylan spielt ein Willkommensständchen.

Liebermannstraße (Nachbarschaft 25)

18.09. 2014

Erste Kontaktaufnahme zu den neuen Nachbarn! Mit der verbesserten Wohnlage steigen die sozialen Kompetenzen: Lächelnd werden hier im Treppenhaus ganze Sätze gebildet und nachmittags wird quergeflötet statt Totenruhe eingefordert. Auf dem Pflaster vor der Tür keine verwesende Hundekacke, dafür fröhlich-bunte Kinder-Kreidemalerei. Vor dem Haus belebte Bistros statt ausgebombter 1€-Shops.

Cuoco (Nachbarschaft 23)

18.04. 2014

Andronaco

Mittagshapps bei Vincenzo Andronaco; Der Olivenöl-Pate macht die beste Pizza außerhalb Neapels. Die Küchen- und Servicecrew besteht ausschließlich aus sorgfältig gecasteten, temperamentvollen Vollblut-Süditalienern, das entsprechende Show-Akzentprogramm für Damen („Einemalenummerackzehnspaghettivongolefürdasblondebellasignoratischfumpf“ gibt es gratis dazu. Kichern, Applaus. Zum Nachtisch noch eine ziegelsteingroße Portion Tiramisu. Ab ins Bett.

Kuckucksheim (Nachbarschaft 22)

14.03. 2014

Kuckucksheim

Mit leidendem Küchenwecker in Uhrmachermeisters Notaufnahme ums Eck. Tick, tick, tick, trrrr: Interieur und Angebot seit den späten Siebzigern wohltuend unverändert. Ins lachende Auge fallen Sternzeichenmedaillons in Bicolor und eine riesige Kuckucksuhr, reduziert von 275 Mark auf 120 Euro. Der Meister hat nicht nur die Zeit im Laden angehalten, der ganze Laden ist ein feinmechanischer Aufschrei gegen die Zeit.

Privatier (Nachbarschaft 21)

06.03. 2014

Bahnsteigklause S-Bahnhof Bahrenfeld 1976: H. trinkt einen Jägermeister, packt Frl. Krups in einen Karton, dreht ein letztes Mal den Schlüssel um, nimmt die S1 in Richtung Landungsbrücken und kümmert sich seither nur noch um seine Zierfische.

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